Ich bin Arthur, kannte lange Zeit nur homosexuelle Gefühle in meinem Leben, habe jahrelang in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung gelebt und heute bin ich verheiratet. Wenn ich auf den Punkt sagen soll, wie das geschehen ist, kann ich es gar nicht sagen. Ich ging an irgendeinem Punkt meines Lebens los, Schritt für Schritt und habe nur versucht, mich und meine Gefühle zu verstehen. Mehr nicht. Ich bin dankbar, dass ich ergebnisoffene Beratung fand, in der ich mich entdecken durfte und wo mir keiner vorschrieb, was ich zu sein habe. - Nun, ein Einblick in meine Geschichte:
Wenn ich heute sage, dass meine homosexuellen Gefühle damit verbunden sind, dass ich mich nie männlich gefühlt habe, dann ist das meine Geschichte. Und auch das gehört dazu: In dem ich für mich lernte, mich als Mann zu sehen hat sich nicht nur meine Sicht auf meine eigene männliche Identität verändert. Ich konnte mich deshalb auf einmal, für mich unerwartet, einer Frau zuwenden. Dies war nur möglich, weil ich mich intensiv, ergebnisoffen und ehrlich mit mir und meinem Leben auseinandergesetzt habe und mich immer wieder dazu entschieden habe, meinen Weg weiterzugehen.
Ich erzähle dies hier, weil ich möchte, dass meine Haltung, mein Weg und meine Entscheidung, wie ich mit meiner gleichgeschlechtlichen Anziehung umgehe, respektiert und akzeptiert wird.
Während meiner Kindheit und meiner Jugendzeit hatte ich keine innere Sicht darüber, dass ich ein Junge bin. Im Grunde wusste ich nicht zu welchem Geschlecht ich gehöre. Ich hatte gefühlsmäßig kein Wissen darüber, dass ich ein ganz normaler Junge bin.
Eigene Bedürfnisse konnte ich nicht ausdrücken, da ich nicht wusste, dass ich überhaupt Bedürfnisse haben darf. Irgendwie funktionierte ich einfach nur. Meinen Vater habe ich als emotional abwesend empfunden, meine Mutter als überbehütend. Heute ist mir klar, dass ich mich der Gefühlswelt meiner Mutter vollkommen ausgeliefert gefühlt habe und mich Ihre Gefühle und Gedanken als Kind vollkommen überfordert haben. Über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens haben wir in der Familie nie gesprochen. Das tun wir bis heute nicht. Es gab den kleinen Familienbetrieb, in dem jeder mitanpackte und jeder funktionierte. Ich habe einfach immer versucht es allen recht zu machen. Selbst blieb ich mir dabei fremd!
Erst sehr spät habe ich mir eingestanden, dass ich homosexuell empfinde. Gleichzeitig hatte ich mich von einem anderen Mann angezogen gefühlt und bin damals mit Ihm eine Beziehung eingegangen, die viele Jahre andauerte. Auch in dieser Beziehung habe ich immer versucht, es recht zu machen. Ich habe mich angepasst und meine Bedürfnisse nicht ausgedrückt.
Mehr und mehr habe ich realisiert, dass ich eigentlich immer das Leben der anderen führe. Ich selbst bin nie darin vorgekommen. Entweder habe ich es meinen Eltern, meinem Freund oder anderen Menschen recht gemacht.
Ich fühlte mich einsam, machte mich unsichtbar und glaubte, dass ich uninteressant, klein und unbedeutend bin. Dazu kam, dass mich ständig Fragen quälten, wie sich mein homosexuelles Leben und meine homosexuellen Gefühle mit meinem christlichen Glauben vereinbaren lassen. Dazu kam, dass ich mich zutiefst für mich selbst schämte und mich selbst nicht leiden konnte. Dies ging so weit, dass ich immer wieder Selbstmordgedanken mit mir herum trug.
Motiviert durch meinen Glauben und meine konservative Erziehung habe ich begonnen, mich nach Möglichkeiten zum Umgang mit meinen homosexuellen Gefühlen umzuschauen und eine seelsorgerlich therapeutische Begleitung gesucht.
Durch regelmäßige, ergebnisoffene Gespräche, die mir halfen, die Entfremdung von mir selbst zu überwinden, habe ich auf viele Fragen meines Lebens eine Antwort gefunden. Der Weg zu mir selbst kam durch die offene Art der Beratung. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mich nicht anpassen. Musste es niemand recht machen und musste mich schon gar nicht für oder gegen meine Homosexualität entscheiden. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich unvoreingenommen über meine Gefühle reden. Ich fühlte mich ernst genommen und richtig verstanden. Dadurch konnte ich mich nach Jahren der Entfremdung von mir selbst, endlich spüren lernen.
In der Beratung änderte sich zunächst meine konservative Haltung und viele moralische Bedenken, mit denen ich meine Homosexualität bewertete. So war es mir möglich, mich mehr und mehr auf den homosexuellen Lebensstil einzulassen. Aber glücklich und zufriedener war ich deswegen nicht. Denn ich suchte nach einem idealen Vater.
Dann merkte ich, dass ich mich nicht als Mann wahrnehme und ich mich anderen Männern nur zugehörig fühlte, wenn ich ihnen sexuell nahe sein konnte. Nach sexueller Nähe fühlte ich mich sehr schnell schlecht, einsam, isoliert und vor allem auch von Gott getrennt. Selbst während meiner langen Beziehung und dem Kontakt mit der homosexuellen Szene änderte sich dieses Gefühl nie.
Ausgelöst durch die Beratung und die dadurch entstandene freie Form der Selbstreflexion, habe ich begonnen über mich und meine Gefühle zu sprechen. Ich habe begonnen meine Bedürfnisse wahrzunehmen und diese in Beziehungen einzubringen. Ich habe begonnen es nicht mehr allen recht zu machen und habe erlebt, dass es Männer gibt, die sich mir freundschaftlich, brüderlich und väterlich zuwenden. Diese Männer waren und sind für mich wie ein Spiegel meiner selbst. Ich habe angefangen mich in Ihnen zu sehen und habe wahrgenommen, dass ich ähnlich bzw. ebenso fühle, denke und handle wie viele andere Männer auch. Ich habe mehr und mehr gemerkt wie sehr ich Mann bin und wie ich mich selbst als ganz normalen Mann sehe. Und das schönste ist, dass ich mich heute in der Gemeinschaft von Männern als Mann unter Männern empfinden kann. Sexualität und Erotisierung spielt dabei keine Rolle.
Ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass meine homosexuellen Gefühle vollständig verschwunden sind. Aber heute kann ich damit umgehen. Sie sind für mich ein Gradmesser dafür geworden, wie es mir innerlich geht. Fühle ich mich männlich und aktiv verspüre ich keine gleichgeschlechtliche Anziehung. Fühle ich mich unmännlich, dann sehne ich mich nach einem Mann, der mich spiegelt. Das aber kann ich mir bei anderen Männern heute holen, ohne mit ihnen Sex haben zu müssen.
Abschließend kann ich heute sagen, dass diese innere Sicht auf mich selbst, mein Leben und meinen Glauben nachhaltig und positiv veränderte. Ohne die Männer die mich auf diesem Weg begleitet haben und begleiten, könnte ich dies heute nicht so sagen. Ich wäre noch immer darauf angewiesen, dass andere Männer mir körperlich nahe sind und könnte emotionale Nähe nicht wertschätzen und wahrnehmen. Ich selbst möchte diese Erfahrungen in meinem Leben nicht missen und Gott von ganzem Herzen danken, diesen Weg für mich gefunden zu haben und diesen Weg gehen zu dürfen. Es ist sogar ein Privileg für mich.
Inzwischen durfte ich mich auf die Beziehung zu einer Frau einlassen und wir haben sogar geheiratet. Es ist für mich wie ein Geschenk und fühlt sich für mich gut an, ein verheirateter Mann zu sein. Vor allem auch in der Beziehung zu meiner Frau merke ich deutlich, dass ich wie ein Mann handle und reagiere. Die Beziehung zu einer Frau ist gefühlsmäßig etwas vollkommen anderes. Es ist ein vollkommen anderes Terrain. Erst jetzt weiß ich, wie vollkommen unterschiedlich Männer und Frauen denken, fühlen, handeln und kommunizieren.