Entgegnung zum Artikel „Opferkult“ - queer.de swap_horiz

Kaum haben wir den Schritt in die Schweiz getan und zu den Gefahren des sog. Gesetzes zum Verbot von Konversionsbehandlungen Stellung bezogen, wirft uns Redakteur Dennis Klein auf dem Nachrichtenportal queer.de (https://www.queer.de/detail.php?article_id=36169) auch schon „Opferkult“ vor. In der gewohnten Vermengung von emotionalisierenden Begriffen wie „Homo-Heiler“, fragwürdigen Informationsfetzen zur Ex-Gay-Bewegung und den üblichen Angriffen gegen Markus Hoffmann können wir leider nichts anderes als eine bewusste Denunzierung unserer Bruderschaft erkennen. Einer unserer Brüder hat daraufhin eine persönliche Stellungnahme für den Kommentarbereich des Artikels verfasst sowie eine harmlose Antwort auf den Kommentar eines anderen Nutzers, die jedoch beide von der Redaktion nicht veröffentlicht wurden. Auch auf zwei E-Mails inklusive Leserbrief bekam er keine Antwort, weswegen wir letzteren nun hier veröffentlichen.

1. Leserbrief

Werter Dennis Klein, wertes queer-Team,

nach drei Tagen ohne Freigabe meiner Kommentare sowie ohne Antwort auf meine Nachricht übers Kontaktformular, schicke ich euch meine persönliche Reaktion auf euren Artikel über die Flucht der Bruderschaft des Weges, der ich selbst angehöre, hiermit nochmals als Leserbrief. Die Ignoranz meiner sehr differenzierten, ehrlichen und persönlichen Antwort (während ihr andere Kommentare, die weit entfernt vom Thema, weltfremd und dennoch ganz frei über die Abschaffung kompletter Religionsgemeinschaften schwadronieren, freischaltet) fällt mir schwer hinzunehmen. Es verpflichtet euch ja niemand, die Kommentare zu veröffentlichen. Es spricht in diesem Fall aber Bände.

Ich finde den Umgang mit Fehlinformationen in eurem Artikel, noch viel mehr aber die Stimmungsmache, wirklich unverantwortlich gegenüber den betroffenen Menschen. Wir nötigen niemanden, sich unseren Erfahrungen mit unserer Sexualität anzuschließen geschweige denn unserer Haltung zu manchen Themen. Und mir fügt diese Verbreitung falscher und so einseitig gewerteter Informationen konkret Schaden zu; in meinem Leserbrief schildere ich zur Genüge, warum. Ich habe auch eine konkrete Frage gestellt, die ich hiermit nochmals wiederhole:

„Was haben der Autor und die Redaktion hinter diesem Text eigentlich dagegen, dass es zahllose Männer gibt, die ihre Zuneigung zu anderen Männern nicht einfach als angeborene und zur Reife gekommene Sexualität erleben und diese Erfahrung auch gern in den öffentlichen Diskurs einbringen, und wenn ihnen das verwehrt wird, so wenigstens in geschütztem Rahmen miteinander austauschen wollen – und natürlich sich offen zu zeigen für alle, die genau diesen Austausch brauchen und dringend suchen?“

Mit meinem Protest spreche ich auch für uns als Bruderschaft und damit immerhin 30 Männer, auch wenn ich nicht in ihrem Namen oder Auftrag geschrieben habe, sondern nur meine individuelle Sichtweise wiedergebe.

Ich würde mir wünschen, dass diese Angriffe in Zukunft weniger werden. Man glaubt euch – bitte nehmt diese Verantwortung wahr.

2. Originalkommentar

Was soll das denn? Wisst ihr, was ihr da tut?

Ich bin selbst ein, in gewissem Sinne, queerer Mensch und seit Jahren mit Menschen, die ihr in eurem „Artikel“ erwähnt, unterwegs – sowie Teil der ebenfalls hier an den Pranger gestellten Bruderschaft des Weges. Meine Freunde und Familie (die übrigens wie auch ich allesamt keinen Sekten angehören) wissen davon und finden gut, dass ich damit Orte und Gesprächspartner für meine echt nicht einfache Biografie habe.

Könnt ihr mir mal sagen, was die denken sollen, wenn sie auf euren Text stoßen? Aus diesem Artikel spricht wirklich keinerlei Kenntnis und Einblick in das, was uns in der Bruderschaft beschäftigt, motiviert und wir wirklich tun. Meines Wissens gab es auch keine Anfrage an uns, aber warum auch ... Ich werde die ganzen Falschdarstellungen hier auch nicht ausführlich auseinandernehmen, alle Versuche davon wurden bisher sowieso in den Wind geschossen.

Trotzdem so viel: Zugegeben, wir sind für viele ein schräges und schwer einzuordnendes Phänomen, und ich verstehe, wenn man erst einmal fragend die Augenbrauen hochzieht, wenn man unseren Namen liest und dann noch den Namen unseres Priors Markus Hoffmann dazu googelt, der sich seit Jahren diese Vorwürfe gefallen lassen muss, obwohl es längst auch gerichtliche Verfügungen dagegen gibt.

Aber trotz unserer Fremdheit haben wir eine ehrliche Auseinandersetzung verdient. Die ich allerdings so noch nie irgendwo beobachtet habe. Warum? Weil das Fremde so bedrohlich ist? Aber wahrscheinlich dürfen wir nach Ansicht des Autors den Begriff des Fremden ebensowenig in Anspruch nehmen wie den des Minderheitenstresses – obwohl es exakt ist, was ich erlebe.

Dass es sich bei uns nicht um Homo-Heiler handelt, scheint Dennis Klein ohnehin klar zu sein, schließlich setzt er den Kampfbegriff die ganze Zeit in Anführungszeichen. Und damit liegt er auch richtig: Der Begriff gehört in zehnfache Anführungszeichen! Homosexualität ist für uns nichts, was per se weggeheilt werden muss. Aber sehr wohl gibt es Verletzungen meiner Identität, für die ich Heilung suche. Das ist sicher schwer zu verstehen, wenn man seine Homosexualität eher im Konflikt mit der Umwelt erlebt und vor allem Bestätigung dafür braucht, auch als Schwuler okay zu sein und das auch in Liebesbeziehungen zu tragen. So ging’s mir aber noch nie – auch wenn ich trotzdem genug unter naiver Homophobie in meiner Familie gelitten habe. Und so geht es vielen nicht. Wer das genauer verstehen will, kann sich ganz transparent hier informieren: https://www.bruderschaft-des-weges.com/%C3%BCber-uns.html

Im Wesentlichen treffen wir uns in der Bruderschaft also und tauschen uns über unser Leben aus – im Grunde eine Selbsthilfegruppe für sexuelle Selbstbestimmung. Aber ihr stellt uns wie einen Haufen fehlgeleiteter Menschenrechtsverletzer dar.

Was haben der Autor und die Redaktion hinter diesem Text eigentlich dagegen, dass es zahllose Männer gibt, die ihre Zuneigung zu anderen Männern nicht einfach als angeborene und zur Reife gekommene Sexualität erleben und diese Erfahrung auch gern in den öffentlichen Diskurs einbringen, und wenn ihnen das verwehrt wird, so wenigstens in geschütztem Rahmen miteinander austauschen wollen – und natürlich sich offen zu zeigen für alle, die genau diesen Austausch brauchen und dringend suchen?!?

Wenn ihr nicht wollt, dass es Männer mit diesem Erfahrungshorizont gibt, bringt mich bitte ganz ehrlich auf offener Straße um, statt mich „nur“ gesellschaftlich zu ermorden, zusammen mit anderen Medienkampagnen meine Lebenserfahrung zum Tabu zu machen und mir das Sprechen über meine ganz individuelle Homosexualität unmöglich zu machen.

Ihr gebt vor, ein diversitätsinteressiertes Nachrichtenportal zu sein, aber das hier ist reine Polemik. Wenn ihr die queere Wirklichkeit – deren Buntheit Stefan Hölscher in seinem Artikel „Was ist eigentlich ‚queer‘?“ gerade so schön reflektiert hat – in Gänze abbilden wollt, schlage ich vor, ihr sucht den ehrlichen Kontakt, führt Gespräche und zitiert fehlerfrei diejenigen, denen ihr diese Dinge hier vorwerft. Alles andere hat weder mit fairem noch mit aufklärendem Journalismus zu tun.

Danke.