Predigt Aufnahmefeier swap_horiz

Mit Jesus in Gethsemane

Jetzt gehören 25 Brüder zur Bruderschaft. Was aber will die Bruderschaft für dich sein? Getroffen von einem schwierigen Schicksal, will sie dir Gemeinschaft ermöglichen. Dabei geht es aber um eine doppelte Gemeinschaft, ähnlich, wie sie uns im Garten Gethsemane entgegen kommt.

Die Szene, auf die wir schauen wollen, zeigt uns Christus in Gemeinschaft mit dem Vater. Das ist die erste Gemeinschaft, die wir leben dürfen. Denn wie Er sind wir in etwas geworfen, das wir uns nicht ausgesucht haben. Und wie Er dürfen wir mit Gott ringen: Vater, alles ist dir möglich, nimm diesen Kelch von mir. (Mk. 14, 36)

Dann ist da eine zweite Gemeinschaft: Nach einer Zeit des betenden Ringens geht Jesus zu den Jüngern, die er in das Innere des Gartens mitgenommen hat und bittet sie, mit ihm zu wachen und zu beten, damit sie nicht in Versuchung fallen. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. (Mk. 14, 38)

Die Gemeinschaft Jesu mit dem Vater

Um zu verstehen, wie diese beiden Gemeinschaften zusammenhängen, wollen wir zunächst die Gemeinschaft auf uns übertragen, die Jesus beim Vater hat. - Das erste, was wir hier verstehen dürfen: Diese Gemeinschaft antwortet auf eine Frage, die viele von uns in sich tragen: „Warum ich?“, „Warum bin ich von dem Thema Homosexualität in meinem Leben betroffen?“ - Letztlich wissen wir es nicht. Es ist so und Verletzungen sind passiert. Nicht aber weil Gott uns vergessen hätte, sondern weil wir in unserer Identitätskrise von Menschen übersehen wurden und von Eltern missverstanden wurden, wenn nicht gar mehr.

Mit der ersten Gemeinschaft will uns Jesus aber sagen: Gott ist da und in Gethsemane kniet Er nicht nur betend und ringend neben uns, vielmehr will Er uns mit dieser Stunde ins Herz brennen: Da ist ein Vater und Gott, der dich niemals vergisst. Sieh hin, Er schickt seinen eigenen Sohn in die Verlassenheit dieser Stunde, damit nichts in dir jemals mehr sagen kann, du bist allein!

So ist es: Gott holt uns im leidenden Christus in unserer Einsamkeit ein, in der wir durch Verletzung meinen auf ewig verdammt zu sein. Daher will dir das Gebet, zu dem du dich heute täglich durch das Ja zur Regel unserer Gemeinschaft verpflichtest, einen Raum bei Christus schaffen. In diesem Raum darfst du dir täglich neu vor Augen führen: Gott lässt dich nicht allein. Und damit gilt auch: Er hat dich nicht in ein unveränderliches Schicksal gestoßen. Denn da ist ein Vater und Gott, der sich von Ewigkeit her um dich sorgt.

Neben diesem eher tröstenden Ton, den wir beim Hinhören auf die Szene vernehmen, ist da aber auch ein herausfordender. Ihn zu verstehen, ist wichtig, ja lebensschaffend! Allerdings müssen wir dazu etwas genauer hinhören, indem wir fragen: Für was steht denn der im Text genannte Kelch? Oft wird ja der Satz „lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ mit Versuchung assoziiert. Handelt es sich bei dem Kelch also um eine Versuchung, die Gott Jesus schickt? Wenn wir den Kontext der Begebenheit anschauen, dann muss die Antwort ein klares Nein sein. Denn vom Abendmahlssaal her und von dem, was noch kommen wird, wissen wir: Der Kelch steht für das, was sich durch Christus erfüllen soll. Die Erlösung des Menschen. - So ist der Kelch also nicht Hinweis auf eine Versuchung, sondern der Hinweis auf etwas, das sich noch erfüllen wird.

Ergreife das Leben

Genau hier liegt nun aber unsere Herausforderung: Denn das Wort führt uns vor Augen, dass es in der Stunde der Versuchung darum geht, das zu ergreifen, was unser Leben wahrhaft erfüllt! So sollen wir in der Stunde der Versuchung, wenn wir mal wieder mit dem Gedanken spielen, die Krise unseres Mannseins über die Abkürzung der Sünde zu lösen, fragen: Welchen Kelch haben wir zu ergreifen? Oder: Was wäre der gute, gelingende, segensreiche Weg, der unser Mannsein jetzt, in der Stunde der Versuchung, voranbringen könnte? - Besteht er nicht regelmäßig darin, den Kelch wahren, schamfreien Mannseins, das Gott uns anbietet, zu ergreifen? Bietet er uns in der Stunde der Versuchung nicht den Kelch des Lebens an, der uns helfen könnte, die Scham zu durchbrechen, die andere auf unser Mannsein gelegt haben? Ist also der Kelch nicht geradezu die Herausforderung, über die Verletzung, über die Scham, hinauszuwachsen? Ich denke, es wird klar: Im Bild des Kelches will Jesus herausrufen zum Leben! Das ist mehr als Trost!

Die Gemeinschaft mit den Brüdern

Schlußendlich führt uns aber gerade die Herausforderung zum Leben, in die zweite Gemeinschaft, die wir als Bruderschaft verstehen dürfen: Die Gemeinschaft der Brüder. Das erste, was wir von der Gemeinschaft verstehen dürfen, die Jesus selbst mitten in seinem Ringen aufsucht, ist: Wenn sich Jesus nicht zu schade ist, seine Brüder um Beistand zu bitten, welchen Zacken brechen wir uns dann aus der Krone? Die Brüder, die schon länger in unserer Gemeinschaft sind, wissen, dass dies ein schwieriges Thema unter uns ist. Denn die Wunde in unserem Mannsein reicht manchmal so tief, dass wir noch nicht einmal die um Hilfe bitten, die den Schmerz einer solchen Wunde aus ihrem eigenen Leben kennen.

Welche Konsequenz hat es aber, wenn wir die Gemeinschaft der Brüder nicht aufsuchen? Die Konsequenz ist nicht nur, dass wir der Versuchung ausgesetzt sind, sondern, dass die Versuchung siegt. Damit geht aber zugleich das verloren, was wir mit dem Kelch ergreifen sollen: Die Heilung, die Wiederherstellung, die Aufrichtung unseres Mannseins.

Auch wenn ich mich unbliebt mache, so will ich uns heute, da wir Aufnahme feiern, ermahnen: Lasst uns die doppelte Gemeinschaft mit Christus in unserer Bruderschaft leben. Durch das Gebet und das Ergreifen des Kelches mit Christus und durch das Gehen zu den Brüdern.

Die gegenseitige Verpflichtung zur Gemeinschaft

Lasst uns aber auch umgekehrt jedem Bruder jeden Tag neu helfen, diese doppelte Gemeinschaft zu leben: Indem wir mit ihm beten, indem wir ihm helfen, seine Wahrnehmung für den Kelch wach zu halten, den er zu ergreifen hat. Und indem wir ihm die Gemeinschaft mit uns weder entziehen noch verweigern. Wir brauchen einander! Denn wir wissen alle, wie schwer das Ergreifen der wesentlichen Herausforderungen unseres Mannseins fällt. Denn auf unserem Mannsein liegt oft noch so viel Scham, dass uns jede Verwirklichung von männlichen Zielen als etwas erscheint, das uns nicht erlaubt ist. - Jesus ermahnt uns aber: Seid wachsam! Wachet und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallet. - Wenn wir aber das füreinander tun, dann müssen wir uns nicht an Versuchungen abarbeiten, sondern können unseren Geist offen halten für die guten, wirklichen und erfüllenden Ziele unseres Lebens!

Christus braucht unsere Gemeinschaft

Nun aber ein Letztes - und das führt uns über die Zuwendung, die uns Gott mit der doppelten Gemeinschaft geben will, weit hinaus.

Christus braucht auch unsere Gemeinschaft! Denn genauso, wie der Tod des Herrn dann verkündet wird, wenn wir vom Brot der Eucharistie essen oder vom Kelch trinken „bis er wieder kommt“ (1. Kor. 11,26), genauso betet Jesus noch heute in Gethsemane. Vor allem betet Er, das Lamm Gottes, für die, die verloren sind. Wir aber als Brüder der Bruderschaft dürfen mit Jesus beten. Ja, wir dürfen es als unseren Auftrag leben: Mit Christus beten für diejenigen, die nicht beten, nicht glauben und nicht hoffen können. Und wir dürfen mit Christus für diejenigen beten, an denen die Gesellschaft oder gar die Kirche schuldig wurde, weil sie ihnen nicht gezeigt hat, wie sie den Kelch ihres Mannseins ergreifen können.

Lasst uns daher die Stunde eigener Versuchung aufopfern. Lasst uns in der Stunde den Kelch unseres Mannseins ergreifen. Lasst uns Ja sagen zur Herausforderung und Grenzüberschreitung, zu der uns dieser Ruf ins Mannsein herausfordert. Ja, lasst uns „den Kelch des Heils ergreifen und den Namen des Herrn anrufen“. Lasst uns sagen: „Ich will meine Gelübde dem Herrn erfüllen, vor allem Volk!“ (Psalm 116,13 - 14) - Amen

Aus der Ansprache des Leiters an der Aufnahmefeier am 1. Juli 2017 in Altensteig. (Zusammenfassung)