Kommentar Tages-Anzeiger - 22.5.2020 swap_horiz

Artikel: Für sie ist Homosexualität nur ein Symptom

Wir, die Männer der Bruderschaft des Weges, sind nur eine Gruppe homosexuell und heterosexuell empfindender Männer, die ihre Sexualität konflikthaft erleben. Der Artikel im Tages-Anzeiger suggeriert anderes und stellt schlecht recherchierte Zusammenhänge her, die mit unserem Anliegen als Bruderschaft nichts zu tun haben.

Denn zu allererst sind wir eine geistliche Gemeinschaft von Männern, die in Bezug auf ihre Sexualität einen Konflikt empfinden. Diesen haben alle Männer der Bruderschaft auf unterschiedlichen Wegen für sich entdeckt und sahen sich in ihrem Leben damit vor die Aufgabe gestellt, mit diesem Konflikt umzugehen.

Mit der Tatsache aber, dass wir unsere Sexualität oder sexuelle Orientierung nicht einfach in einer Partnerschaft verwirklichen wollen, ist für uns keine Aussage über „Homosexualität“ oder andere sexuelle Orientierungen verbunden. Wir gehen nur davon aus, dass es unterschiedliche Sexualitäten gibt. Dies wird uns durch sexualwissenschaftliche Untersuchungen bestätigt, die jedem Menschen zugänglich sind. Leicht kann man dort lesen, dass es zwischen den Polen homosexuell und heterosexuell viele Schattierungen gibt, was meint, dass es viele unterschiedliche individuelle Formen von Sexualitäten in unserer Gesellschaft gibt. Der Tages-Anzeiger nimmt diesen Hintergrund, über den wir ausführlich auf unserer Homepage sprechen, gar nicht auf. Auch vermischt er "sexuelle Orientierung" mit dem Terminus "konflikthaft empfundener Sexualität", obwohl auch dies auf der Homepage ausreichend unterschieden ist.

Die Bruderschaft des Weges ist vom Fundamentalismus weit entfernt. Denn sie sieht in ihrer Struktur sogar vor, dass Menschen ihre Sexualität lebenslauf-bezogen erleben können. Weshalb jedes Mitglied spätestens nach drei Jahren überprüfen soll, ob die Lebenspraxis der Bruderschaft noch passt, oder ob man eine andere Lebensform wählen will. Diese in der Struktur vorgesehene Wahlfreiheit ist bei sogenannten sektiererischen oder fundamentalen Gruppen nicht zu finden.

Mit der Wahlfreiheit und der Achtung lebenslaufbezogener Prozesse, die ein Mensch durchlaufen kann, stellt sich die Bruderschaft daher der Realität von manifesten und fluiden Formen sexueller Orientierungen. Sie betont damit, wie offen das Leben sein kann und das bestimmte Lebensfragen, neue Herausforderungen mit sich bringen und zu Neuentscheidungen führen. Anders als Roman Haggli unterstellt, herrscht in der Bruderschaft damit kein Veränderungsdruck in Richtung Heterosexualität, sondern Akzeptanz gegenüber dem, was ein Mensch in seiner Sexualität erlebt. Diese Akzeptanz fordern wir als Bruderschaft aber auch von der LGBT-Bewegung.

Überhaupt ist das Thema Veränderung oder Nicht-Veränderung etwas, das die LGBT Bewegung der Bruderschaft unterstellt. In der Bruderschaft selbst, ist das gar kein Thema. Denn im Mittelpunkt der Bruderschaft steht die Gemeinschaft, die gegenseitige Unterstützung und die Entwicklung von geistlichem Leben als Gruppe von Menschen, die ihre Sexualität als konflikthaft erleben.

Als Christen aber, die sich in der Bruderschaft des Weges zusammengefunden haben, versuchen wir dieses eigene, individuelle Erleben in unser Sexualität nicht nur gegenseitig zu akzeptieren und zu verstehen. Wir nehmen uns auch das Recht, mit unserem Glauben auf unser sexuelles Erleben freiheitsbestimmt und eigenständig zu antworten.

Der Bezug zu wüstenstrom (heute idisb e.V.), den der Artikel herstellt, übersieht, dass diese Organisation einen langen Weg hinter sich hat. Wer sich wirklich die Mühe macht, die jüngst auf der Homepage veröffentlichten Artikel und Erklärungen zu lesen, wird feststellen, dass man zum Thema „sexuelle Orientierung“ eine differenzierte Sicht entwickelt hat. Sie respektiert nicht nur alle Menschen, die ihre sexuelle Orientierung selbstbestimmt verwirklichen, sondern stellt klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen sexuellen Orientierungen wie „Homosexualität“, „Bisexualität“ oder „Heterosexualität“ (etc.) und Konflikten, die jemand in Bezug auf seine Sexualität empfinden kann. Dabei wird auch dort nirgends erwähnt, dass „Homosexualität“ ein Symptom sei. Es wird aber erklärt, dass heterosexuelle und homosexuelle Menschen gleichermaßen Konflikte in und mit ihrer Sexualität erleben können, die jenseits der sexuellen Orientierung liegen, die ein Mensch in sich empfindet. Auch haben diese Konflikte ihren Ursprung meist nicht in Glaube oder Moral. - Menschen also, die ihre Sexualität konflikthaft empfinden, wendet sich der deutsche Verein zu und versucht, ihnen in ihrem speziellen Lebensschicksal zu begegnen. Gegen Veränderung, Umpolung oder Konversionsbehandlungen wendet sich der Verein genauso ausdrücklich, wie die Bruderschaft des Weges.

Von daher wollen auch wir als Bruderschaft des Weges, Menschen, die dies wünschen und wollen, nur einen Raum bieten, um zu verstehen, wie sie ihren Glauben angesichts einer konflikthaft empfundenen Sexualität gestalten können.

Wer, wie Roman Heggli von der Schwulenorganisation Pink Cross, unterstellt, wir würden zu den Kreisen gehören, die andere unter Druck setzen, „Homosexualität zu verändern“, soll den Mut haben, uns persönlich zu begegnen. Die Einladung zum Dialog ist hiermit ausgesprochen.

Vorstand Verein Bruderschaft des Weges